Ich muß Ihnen ein Geständnis machen: Liebe auf den ersten Blick war das nicht, der
Sassicaia und ich! Natürlich hatte ich als Weinhändlerin schon von Anfang an Bewunderung für die große Weinikone Italiens, die mit dem Jahrgang 2018 gerade ihren 50. Geburtstag feiert. Schon lange, bevor ich meine ENOTECA dell'Arte eröffnet habe, stand ich bei meinen ersten Reisen nach Italien in den Weinhandlungen erfurchtsvoll vor den Flaschen mit dem charakteristischen Stern im blauen Einwickelpapier. Damals, Ende der Achtziger Jahre, kostete eine Flasche ca. 100.000 Lire (ungefähr 70,-- D-Mark) - heute unvorstellbar günstig, für mich damals unvorstellbar teuer für eine Flasche Wein ...!
Die Geschichte der
Tenuta San Guido aber hat mich immer schon interessiert. Die Anekdote vom adligen Marchese Mario Incisa, der sich schon als Student in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts für Bordeauxweine begeisterte, im zweiten Weltkrieg auf dem Gut nahe Bolgheri, welches bis dahin mehr für seine Pferdezucht berühmt war (und tatsächlich auch bis heute ist) und weniger als eine für den Weinbau geeignete Gegend, Bordeaux-Reben pflanzte und von 1945 bis 1967 ausschließlich für den heimischen Gebrauch den Sassicaia mit einem bis heute unveränderten Blend aus viel Cabernet Sauvignon und etwas Cabernet Franc produzierte. Und weil sich der besondere Ruf dieses Weins unter den Freunden der Familie verbreitete, ging der Jahrgang 1968 erstmals in den Verkauf - der Rest ist legendär ...
Mein Problem mit dem Sassicaia ist (und schon das nächste erschütternde Geständnis): Ich mag eigentlich gar keinen Cabernet. Schwer vorstellbar für eine Weinhändlerin zwar, aber ich hadere schon immer mit dieser großen Bordeaux-Rebsorte. Vielleicht bin ich zu italophil, vielleicht habe ich tatsächlich zuviele Vorurteile oder einfach zu wenige Gute probiert, aber nichts bringt mich ab (und viele meiner Stammkunden wissen das) von meiner großen Liebe zum Nebbiolo (in letzter Zeit mit ein paar Seitensprüngen zum Pinot Nero und den Weinen vom Ätna - ich bleibe neugierig ...), der ja quasi in seinem Charakter diametral zum Cabernet steht.
Die Liebe auf den zweiten Blick kam dann aber doch noch! Auch als Weinhändler kommt man natürlich nicht in den Genuß von Musterflaschen Sassicaia (Nein, wirklich nicht!) und die kleinen Probeschlucke frischer Jahrgänge auf Messen oder Verkostungen werden diesem Wein natürlich in keiner Weise gerecht. Sassicaia ist kein Wein, der sich auf den ersten Schluck erschließt, erst recht nicht, wenn er jung ist , und ganz besonders nicht im Setting des Messetrubels.Und selbst ab uns zu eine Flasche Sassicaia aus dem Keller holen - ach, Sie kennen ja die Geschichte vom Schuster und den Schuhen ...
Aber dann brachte ein Freund vor ein paar Jahren eine Flasche 1996er zum gemeinsamen Abendessen vorbei. Ein in der Weinkritik neben dem legendären 1997er leider etwas verblaßter Jahrgang, sollte er aber die Überraschung des Abends werden! Von Eleganz und Filigranität hatte ich natürlich gelesen - allein, mir fehlte der Glaube. Tatsächlich mußte ich meine lang gepflegten Vorurteile gegenüber Bordeaux und Bolgheri an diesem Abend über Bord werfen. Auf den Punkt gereift nach ca. 15 Jahren entfaltete der Wein all das, was ich bisher nur von ihm gehört hatte. Vielleicht überzeugte mich auch, daß die Familie Incisa della Rocchetta ursprünglich aus dem Piemont stammt ... Wie auch immer: An diese Flasche werde ich mich sehr gerne und sicher noch sehr lange erinnern. Hier also war es - mein persönliches Happy End! Salute e buon compleanno, Sassicaia!
